Bewerbungscamp: Den Arbeitgeber online überzeugen

In den „Westfälischen Nachrichten“ erschien am 4.2. ein Artikel zum diesjährigen Bewerbungscamp an der Teamschule.
Bewerbungscamp im Wohnzimmer

Auch im Westfälischen Anzeiger ist am 05.02.2021 ein Artikel über das Bewerbungscamp erschienen.

Normalerweise gibt es ein professionelles Fotoshooting. Und die Vorstellungsgespräche finden von Angesicht zu Angesicht statt. In der Corona-Pandemie musste die Teamschule notgedrungen umplanen – und ihr alljährliches Bewerbungscamp für die Neuntklässler ins Netz verlegen.

Dienstag, 11 Uhr. Judith Heimann sitzt vor ihrem Laptop und verbindet sich mit Dr. Siegfried Riediger. Die Schülerin der Drensteinfurter Teamschule probt ein Bewerbungsgespräch, wie es bereits im nächsten Jahr real geführt werden könnte. Eine Übung als Teil des bewährten „Bewerbungscamps“, mit dem die Sekundarschule ihre Schüler praxisorientiert und bestmöglich auf ihrem Weg ins Berufsleben begleiten will. Nur das Format ist neu: Aktuell werden 86 Schüler auf eine Online-Bewerbung geschult.

Judith Heimann ist gut vorbereitet. Auf die Frage, ob sie denn nervös sei, antwortet die 15-Jährige: „Nein, eigentlich nicht.“ In adretter Bluse, die sie so auch in einem „echten“ Bewerbungsgespräch tragen könnte, stellt sich die Neuntklässlerin aus Albersloh ihrem virtuellen Gegenüber vor. Dass die Füße noch in bequemen Hausschuhen stecken, stört dabei nicht. Siegfried Riediger liegen die Bewerbungsunterlagen vor, denen zu entnehmen ist, dass Judith eine Ausbildung zur tiermedizinischen Fachangestellten bei einer Warendorfer Pferdeklinik machen möchte. „Was bewegt Sie dazu, diesen Beruf antreten zu wollen?“, möchte der die Position des Arbeitgebers repräsentierende Mann wissen. „Ich habe Spaß am Umgang mit Tieren“, erklärt die Schülerin. Den Tieren helfen zu können, damit es ihnen dann hoffentlich wieder besser gehe, nennt sie einen weiteren Beweggrund, warum sie die Ausbildung im tiermedizinischen Bereich antreten will. „Und was macht Ihnen keinen Spaß?“ fragt das Gegenüber, dem ehrlich geantwortet wird: „Das Ausmisten“, doch das gehöre selbstverständlich auch dazu.

Arbeitgeber achten nicht nur auf Noten

Es folgen Fragen, die sich nicht nur auf schulische Leistungen beziehen, sondern auch Auskunft über Hobbys, Vereinszugehörigkeiten und allgemeines Freizeitverhalten geben sollen. Warum Judith mit den Angaben „ich spiele Querflöte im Spielmannszug“ und „ich bin im Reitverein“ punkten kann, erklärt Riediger der 15-Jährigen nach dem offiziellen Ende des Bewerbungsgesprächs, für das er fast ausschließlich lobende Worte findet. Statt mit „Sie“ wird Judith nun auch wieder mit „Du“ angesprochen. „Viele Arbeitgeber stellen die Bewerber nicht unbedingt aufgrund ihrer guten Noten ein, sondern achten auch darauf, welche Hobbys sie haben und ob sie sich in Vereinen engagieren“, erklärt Riediger. Im Berufsleben setze man besonders auf Kompetenzen, die der Arbeit im Team zuträglich seien.

Eigentlich hat Siegfried Riediger nur zwei Verbesserungstipps für Judith: „Du solltest die Laptopkamera etwas anders ausrichten, damit dein Gesicht nicht nur im unteren Bildschirmbereich zu sehen ist“, und „das Bewerbungsfoto solltest du im Originalformat belassen, sonst sieht es gestaucht aus“. Insgesamt zeigt sich der ehrenamtliche Coach aber zufrieden: „Null Fehler im Bewerbungsschreiben – das ist sehr gut und überhaupt nicht selbstverständlich.“ Bei der Vorsortierung der üblicherweise zwischen 30 bis 300 Bewerbungen sei die Rechtschreibung häufig ein erstes Auswahlkriterium. „Deshalb ist es auch durchaus okay, Mama oder Papa noch einmal drüber schauen zu lassen.“

Dr. Siegfried Riediger engagiert sich ehrenamtlich als „Arbeitgeber“ im Bewerbungscamp. Heute im Ruhestand, hatte er einst eine leitende Stelle bei BASF inne. „Das Wohl der Jugendlichen liegt mir am Herzen“, begründet der Drensteinfurter sein Engagement für die Teamschule, zu der er über Claudia Schemmelmann, zuständig für den Bereich Berufsorientierung, Kontakt geknüpft habe. „An der Teamschule werden die Schüler sehr strukturiert und gut angeleitet“, lobt Riediger noch, bevor er Judith ein, zwei „Tipps aus dem Nähkästchen“ mit auf den Weg durch zukünftige Bewerbungsverfahren gibt. Und auch die Überlegung, ob Judith aufgrund ihrer guten Noten weiter zur Schule gehen will, regt er an. Doch die junge Albersloherin möchte – Stand jetzt – erst einmal eine Ausbildung machen. Bei einem dreiwöchigen Praktikum, das sie im März in einer Tierarztklinik absolvieren will, möchte sie weitere Erfahrungen sammeln. „Ich freue mich schon darauf“, sagt sie und hofft, dass ihr Corona da keinen Strich durch die Rechnung macht.

Im Bewerbungscamp der Teamschule hat Judith Heimann den „Arbeitgeber“ überzeugen können. Und das Bewerbungscamp hat Judith Heimann überzeugt: „Das hat mir sehr gut gefallen.“ Bei solchen Voraussetzungen dürfte dem Erreichen des Berufswunsches „Tiermedizinische Fachangestellte“ eigentlich nichts mehr im Wege stehen.

Dieser Artikel erschien am 04.02.2021 in der WN.