„SegeL“: Teamschüler lernen eigenständiges Arbeiten [WA]

Sechs Stunden in der Woche steht bei den Schülern der Drensteinfurter Teamschule „SegeL“ auf dem Programm - selbstgesteuertes Lernen. In dieser Zeit haben die zwei Lehrer die Möglichkeit, sich individuell und intensiv mit den Schülern zu beschäftigen. Dabei sollen die Mädchen und Jungen vor allem lernen, eigenverantwortlich zu arbeiten. Wie so eine Stunde aussieht…
Auf die Fragen der Schüler gehen die Lehrer beim selbstgesteuerten Lernen individuell ein – so wie hier Ulrike Rupieper, die Schulleiterin der Teamschule. [WA, Foto: Guboff]

DRENSTEINFURT – In Raum 108a der Teamschule ist es still. Mucksmäuschenstill. Dass dort Schüler arbeiten, ist für einen Außenstehenden schwer vorstellbar. Und dennoch: Die Mädchen und Jungen lösen ihre Aufgaben eigenverantwortlich – beim selbstgesteuerten Lernen (kurz: „SegeL“).

Anders als im üblichen Unterricht beschäftigen sich die Fünftklässler der Sekundarschule mit unterschiedlichen Aufgaben verschiedener Fächer. Die einen schreiben einen Brief an ihre Mitschüler – „in sauberer, leserlicher Schrift“, wie es in der Aufgabenstellung formuliert ist. An der benachbarten Tischgruppe wenden Schüler die neuen Wörter an, die sie im Englischunterricht gelernt haben. „Es geht um Eigenverantwortung, und die müssen die Schüler lernen“, sagt Achim Stanossek, der stellvertretende Schulleiter. „Doch was sie da tun, ist nicht beliebig. Das ist Unterricht.“

Im gegenüberliegenden Raum ist es nicht ganz so ruhig. Muss es auch nicht. Oft kommt es nämlich vor, dass einige Schüler gemeinsam Vokabeln lernen. „Wir wollen den Fokus stärker auf das miteinander Kommunizieren legen“, erklärt Achim Stanossek. Dazu gehört es auch, dass sich die Fünftklässler austauschen.

Was die Mädchen und Jungen zu tun haben, erfahren sie auf Zetteln in den Fensterreihen. Jeder Abschnitt ist einem der sechs Fächer zugeordnet. Die Übungen kommen von den jeweiligen Fachlehrern und sind unterteilt in verschiedene Schwierigkeitsstufen. „Das führt dazu, dass der eine mehr schafft als der andere“, sagt Schulleiterin Ulrike Rupieper. „Doch das ist gewollt.“ Denn „das Grundproblem von Schule“, so Stanossek, „ist Unterforderung. Daran muss herangegangen werden. Und das wird durch ‚SegeL‘ erreicht.“

Ein Praxisbeispiel: Ein Schüler war anfangs sehr unruhig. Die Ursachenforschung hat ergeben, dass es private Hintergründe gab, er aber hochbegabt ist. „Das muss man ernst nehmen“, so Stanossek. Nun arbeitet der Junge fleißig und mit hohem Ehrgeiz: „Einmal hat er sich vorgenommen, fünf Arbeitsblätter zu machen, hat aber nur vier geschafft. Das hat ihn sehr geärgert“, erinnert sich Ulrike Rupieper.

Zu Beginn der „SegeL“-Stunde stehen die Schüler vor ihrem Platz und heben die Hand nach oben. Das bedeutet so viel wie „Ich bin startklar“. Die Fünftklässler holen ihre Arbeitsmaterialien aus ihren Körben und formulieren ihre Ziele in ihrem Wochenplaner. Dort tragen sie für jeden Tag, für jede Woche ein, was sie sich vornehmen. Sechs Stunden pro Woche sind im Stundenplan jeder Klasse für das selbstgesteuerte Lernen eingeplant.

„Man muss ehrlich mit sich selbst sein“

Anfangs war es für die meisten nicht so einfach, komplett eigenständig zu arbeiten. „Es war schon etwas komisch“, sagt der zehnjährige Mattis Südmersen. „Aber jetzt habe ich mich daran gewöhnt.“ Besonders schwierig sei es, sich selbst einzuschätzen und zu beurteilen, ob man seine Ziele erreicht hat. „Da muss man sehr ehrlich mit sich sein“, erklärt Jerina Habecht (10). Mattis Südmersen meint, dass dies auf ihn zutreffe. „Geschummelt habe ich noch nicht“, versichert er glaubhaft. „Und mittlerweile bin ich mir auch sicher, mich einschätzen zu können.“

Diese Art von Lernen kommt bei den Schülern besser an als der Frontalunterricht. „So kann man selbst entscheiden, was man gerade machen will“, begründet Jerina Habecht. Darauf, dass die Mädchen und Jungen nicht nur Aufgaben in ihren Lieblingsfächern lösen, achten die Lehrer. Drei von sechs „SegeL“-Stunden sind doppelt besetzt, sodass Zeit für individuelle Beratung vorhanden ist.

Da es keinen fixen Termin für eine Klassenarbeit gibt, können die Schüler selbst entscheiden, wann sie so weit sind. In einer Zeitspanne von zwei Wochen können sie zu den ungeliebten schriftlichen Arbeiten antreten – unabhängig von den Mitschülern. „Platz genug ist ja da“, weist Achim Stanossek auf den angrenzenden Differenzierungsraum hin. Nach der Arbeitsphase sollen die Schüler beantworten, ob sie ihre Ziele erreicht haben. Anschließend bleibt Zeit für Reflexion.

Noch formulieren die Schüler ihre Ziele sehr allgemein. „Aber schrittweise wird das immer genauer“, ist sich Rupieper sicher. Das könne zwar noch etwas dauern, doch diese Zeit sollen die Mädchen und Jungen bekommen. Denn auch das gehört zum Findungsprozess des selbstgesteuerten Lernens. – mg

Quelle: Westfälischer Anzeiger, 27.09.2012